PD Dr. Jürgen Rech

Internist und Rheumatologe

Interview mit PD Dr. Jürgen Rech, entnommen aus PSO Magazin 3/2022

PSO Magazin: Herr Dr. Rech, Sie sind Internist und Rheumatologe und jetzt neu in den Wissenschaftlichen Beirat des DPB berufen worden. Wie ist bei Ihnen als Rheumatologe das Interesse an der Psoriasis entstanden?

PD Dr. Jürgen Rech: Schon während meiner Facharztausbildung zum Internisten und Rheumatologen im Uniklinikum Erlangen bestand eine sehr gute Zusammenarbeit mit vielen anderen Fachbereichen. Speziell die Kooperation mit der Dermatologie wurde intensiviert, weil der dortige Stellvertretende Klinikdirektor, Prof. Dr. Michael Sticherling, und ich begannen, wissenschaftlich zusammenzuarbeiten. Seit nun sieben Jahren findet zudem immer montags ein regelmäßiges sogenanntes Entzündungsboard statt.

PSO Magazin: Was ist ein Entzündungsboard?

PD Dr. Jürgen Rech: Dort treffen wir uns fachübergreifend mit Kolleginnen und Kollegen aus der Dermatologie und Gastroenterologie. Je nach Fall kommen bedarfsabhängig weitere Fachbereiche dazu. Wir diskutieren gemeinsam über besondere Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen und geben Empfehlungen ab. Zu diesen Fällen, die wir hier besprechen, gehören häufig auch Menschen mit Psoriasis-Arthritis. Deshalb bin ich dann auch dabei. Und ich staune immer noch über die therapeutischen Möglichkeiten in der Dermatologie.

PSO Magazin: Wieso?

PD Dr. Jürgen Rech: Mittlerweile dürfen wir seitens der Rheumatologie neidlos anerkennen, dass die Behandlungsergebnisse in der Dermatologie durch die neuen Therapiemöglichkeiten ganz hervorragend sind. Dort gibt es ein Ansprechen der Haut von teilweise 100 Prozent. Leider ist es aber immer noch so, dass häufig die Diagnosestellung einer zusätzlichen Gelenkbeteiligung sehr lange dauert. Es braucht also unbedingt die fachübergreifende Kooperation.

PSO Magazin: Warum dauert es so lange, bis die Diagnose Psoriasis-Arthritis gestellt ist?

PD Dr. Jürgen Rech: In der Rheumatologie sind wir es durch die Rheumatoide Arthritis (RA) eher gewohnt, primär ein oder mehrere dicke, schmerzhafte, teilweise gerötete Gelenke vorzufinden. Mittels der  Blutabnahme und gegebenenfalls dem Nachweis von ACPA (spezifischer Autoantikörper), lässt sich somit die Diagnose einer RA schnell stellen. Dies gestaltet sich bei der Psoriasis-Arthritis etwas anders. Die Entzündung beginnt primär an den Sehnen und geht erst später auf das Gelenk über und zudem haben wir für Blutuntersuchungen keine spezifischen Laborwerte zur Verfügung.

PSO Magazin: Bei einer Psoriasis-Arthritis gibt es keinen erhöhten sogenannten Rheuma-Wert im Blut.

PD Dr. Jürgen Rech: Genau. Die Entzündung bei Psoriasis-Arthritis spielt sich üblicherweise nicht im ganzen Körper ab, sondern eventuell nur an einem oder mehreren Gelenken und hier unter Umständen nur an den Sehnen. Die Entzündung ist somit nicht im Blut durch zum Beispiel die Erhöhung des Entzündungswerts (C-reaktives Protein) sichtbar. Im frühen Stadium der Erkrankung sitzt der Schmerz häufig hauptsächlich
an den Sehnenansätzen. Da reicht es nicht, nur das Gelenk zu "drücken" beziehungsweise zu untersuchen. Hier zeigt sich eventuell nichts zu diesem Zeitpunkt. Somit kann es auch für Rheumatologinnen und Rheumatologen nicht immer einfach sein, eine Psoriasis-Arthritis zu diagnostizieren. Leider kann es auch passieren, dass Patientinnen und Patienten schnell in eine Schublade gepackt werden. Dann heißt es:
chronisches Schmerzsyndrom. Wenn keine "offensichtlichen" Entzündungen nachweisbar sind. Wir wissen dann unter Umständen halt nicht, wo der Schmerz herkommt.

PSO Magazin: Wie schwer ist es, die Diagnose Psoriasis-Arthritis richtig zu stellen?

PD Dr. Jürgen Rech: Eigentlich ist es kein Hexenwerk. Aber man muss mehr tun, als nur einen kurzen Blick auf die Patientin oder den Patienten zu werfen und ein geschwollenes Gelenk zu suchen. Das ist es auch, was mich an meiner Arbeit reizt. Das wichtigste Instrument ist und bleibt zunächst die Anamnese. Das ist die Erfragung der Vorgeschichte der Patientin oder des Patienten. Man muss aktiv fragen, bis das
Gegenüber keine Antwort mehr geben kann. Und man muss zuhören können. Interessant ist natürlich, wenn in der Familie schon eine Psoriasis bekannt ist.

PSO Magazin: Danach kommt dann die körperliche Untersuchung.

PD Dr. Jürgen Rech: Man muss die Person vom Kopf bis zu den Zehen anschauen. So werde ich natürlich auch auf Nagelveränderungen sowie sonstige „klassische“ Stellen einer Psoriasis der Haut schauen. Darüber hinaus gibt es die CASPARKriterien zur Klassifizierung einer Psoriasis-Arthritis. Das sind fünf einfache Fragen, die bei der Diagnose helfen. Zudem muss man natürlich auf Begleiterkrankungen achten, denn
Menschen mit Psoriasis-Arthritis haben häufig eine oder mehrere Begleiterkrankungen. Und es gibt Medikamente zur Behandlung der Psoriasis-Arthritis, die bei gleichzeitig vorliegenden Begleiterkrankungen besser geeignet sind als andere.

PSO Magazin: Die meisten an Psoriasis-Arthritis Erkrankten haben vor ihren Gelenkproblemen bereits mehrere Jahre mit einer Psoriasis der Haut zu tun. Worauf können sie achten, um eine beginnende Psoriasis-Arthritis frühzeitig zu erkennen?

PD Dr. Jürgen Rech: Der klassische Entzündungsschmerz ist, wenn man morgens mit Beschwerden aufwacht. Manchmal wecken einen die Schmerzen auch in der zweiten Nachthälfte, so zum Beispiel, wenn die Wirbelsäule mit betroffen ist. Teilweise kann dann bereits nach fünf bis zehn Minuten Bewegung alles wieder gut beziehungsweise zumindest besser sein. Manchmal gibt es tagsüber gar keine Schmerzen. Bei
Psoriasis-Arthritis sind zu Beginn häufig eher die großen Gelenke betroffen wie Schultergelenk, Handgelenk, Knie. Aber auch die Wirbelsäule kann betroffen sein und Rückenschmerzen verursachen. Bei den Fingern können alle Gelenke in Mitleidenschaft gezogen sein, so auch die Endgelenke.

PSO Magazin: Wann sollte ich ärztlichen Rat suchen?

PD Dr. Jürgen Rech: Wenn Schwellungen und/oder Schmerzen länger als zwei Wochen am Stück bestehen. Erste Ansprechstelle sind die Hausärztin oder der Hausarzt. Es können aber auch die Dermatologin oder der Dermatologe angesprochen werden, wenn dort gerade sowieso ein Untersuchungstermin ansteht. Dann folgt oft der schwerste Teil: der Kontakt zu einer rheumatologischen Praxis. Es empfiehlt sich, dass die Hausärztin oder der Dermatologe dort persönlich anruft und den Fall schildert. Häufig ist sonst überhaupt kein Termin zu bekommen. Sechs Monate Wartezeit sind leider keine Seltenheit, wenn gewisse Schlagworte nicht benutzt werden, beziehungsweise die Kollegin oder der Kollege nicht den direkten Kontakt zur Rheumatologin oder Rheumatologen sucht.

PSO Magazin: Wie sieht eine Therapie der Psoriasis-Arthritis aus?

PD Dr. Jürgen Rech: Die richtet sich nach der Schwere der Erkrankung. In der Rheumatologie kennen wir ebenso wie in der Dermatologie Therapieempfehlungen von unseren Fachverbänden. Wir haben Basismedikamente aber auch Biologika sowie neuerdings sogenannte synthetische zielgerichtete Medikamente (tsDMARD`s) zur Verfügung. Die Therapeutika wirken sowohl auf die Gelenke als auch auf die Haut.
Gegebenenfalls benötigen wir aber zusätzlich ergänzend eine lokale Therapie, womit wir wieder beim Thema Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Fachbereiche sind.

PSO Magazin: Kann ich selbst etwas tun, um meine Psoriasis-Arthritis positiv zu beeinflussen?

PD Dr. Jürgen Rech: Auf jeden Fall: Sie müssen sich bewegen! Die Medikamente nehmen die Schmerzen und stoppen die Entzündungstätigkeit. Die Beweglichkeit erhalten Sie aber nur durch physikalische Therapie. Zehn Minuten Gymnastik täglich sind schon super.

PSO Magazin: Das kann schwer sein, gerade bei Schmerzen.

PD Dr. Jürgen Rech: Das stimmt. Und trotzdem ist es wichtig, dranzubleiben. Krankengymnastinnen und -gymnasten können die richtigen Übungen zeigen. Bis zu 50 Prozent der gesamten Behandlung einer Psoriasis-Arthritis beruht auf physikalischer Therapie.

PSO Magazin: Was ist das Ziel einer Behandlung? Was können Betroffene erhoffen, zu erreichen?

PD Dr. Jürgen Rech: Das ist eine gute Frage. Man muss immer ein Behandlungsziel haben. Das muss immer die Remission sein – also dass keine Entzündungsaktivität und damit Schädigung mehr auftritt. Zudem sollten die Symptome kontrolliert sein und damit nach Möglichkeit eine normale Lebensqualität erreicht werden. Läuft das gut, kann man sich gemeinsam (Patient und Arzt/Ärztin) eventuell in einigen Fällen dafür entscheiden, die "Zügel" mal wieder etwas "lockerer" zu lassen, indem man etwa eine medikamentöse Therapie zurückfährt.

PSO Magazin: Kann man sie auch mal ganz aussetzen?

PD Dr. Jürgen Rech: Ich weiß, dass sich die Erkrankten das sehr wünschen. Aber da muss man doch vorsichtig sein. Schließlich ist die Psoriasis-Arthritis chronisch. Aber ich rate zu Optimismus. Auch wir Rheumatologinnen und Rheumatologen habe heute eine große Auswahl an therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung.

PSO Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.