Fatigue: Macht Psoriasis müde?

Für die Psoriasis-Arthritis ist es belegt: Diese Erkrankung geht mit Erschöpfung und fehlender Energie einher. Der medizinische Begriff dafür ist Fatigue. Ungeklärt aber möglich ist ein solcher Zusammenhang auch bei einer Psoriasis ohne Gelenkbeteiligung.

Was ist Fatigue?

Jeder Mensch ist manchmal müde. Mangelnder Schlaf ist meist die Ursache, aber auch seelische Belastungen, Stress oder eine beginnende Infektion. Solche Art Müdigkeit hat immer einen vorübergehenden Charakter und ist vorbei, wenn die Ursache behoben ist. Anders kann es sein bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Hier sind sich Wissenschaftler inzwischen sicher, dass die Müdigkeit zu einem Kernbefund zählt. Sie kann die Patienten ständig oder über weite Strecken begleiten. Durch Ausruhen lässt sich eine Fatigue nicht positiv beeinflussen. Der Begriff Fatigue ist nicht eindeutig definiert. Er geht mit vielen chronisch-entzündlichen Erkrankungen einher, beispielsweise auch mit Krebs, Morbus Crohn oder Multipler Sklerose. „Neben der Müdigkeit werden von Patienten sehr häufig Erschöpfung, Schwäche und fehlende Energie genannt“, sagt Prof. Dr. Klaus Krüger. Der Rheumatologe aus München kennt das Phänomen von vielen seiner Patienten und aus der Fachliteratur. Dort ist Fatigue besonders für Rheumatoide Arthritis (RA) schon vielfach wissenschaftlich untersucht worden. In Studien ist die Rede davon, dass 40 bis 80 Prozent der RA-Patienten an Fatigue leidet. Und Prof. Krüger nimmt an, dass Fatigue bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis genauso häufig anzutreffen ist.

Selten allein

In einer ganz neuen Studie aus Frankreich, die erst im April 2016 veröffentlicht wurde, ist erstmals das Ausmaß von Fatigue bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis (PSA) untersucht worden. Es waren 246 PSA-Patienten aus 13 Ländern. Das Ergebnis lautet, dass Fatigue bei PSA eine sehr wichtige Rolle spielt. Es rangierte bei den Befragten an zweiter Stelle gleich nach dem Schmerz. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich zusätzlich daraus, dass die Fatigue in enger Verbindung mit Schmerz und Depression steht. Bei vielen Patienten treten zwei oder alle drei dieser Befunde zusammen auf und können sich wechselseitig verstärken. „Das bedeutet zum einen, dass bei Vorhandensein von Müdigkeit auch nach einer Depression gefahndet werden sollte. Zum anderen heißt es, dass sich bei Vorhandensein aller drei Befunde die Fatigue dann nachhaltig bessern kann, wenn auch das Schmerzgeschehen und die Depression erfolgreich behandelt werden“, sagt Prof. Krüger.

Separat behandeln

Was genau die Fatigue auslöst, ist bisher nicht geklärt. Sie ist ein dominantes Merkmal von so genanntem „Krankheitsverhalten“. Das ist eine Reaktion, die bei Menschen und Tieren gleichermaßen auftritt, wenn sie mit Viren oder Bakterien infiziert worden sind. Dann reagiert der Körper mit Appetitlosigkeit, der Kranke zieht sich zurück von normalen sozialen Aktivitäten und verliert das Interesse an anderen Individuen und an der eigenen Körperpflege. Krankheitsverhalten ist also eine unbewusste Strategie für das Überleben während einer Infektion. Das angeborene Immunsystem reagiert auf die Infektion mit einer Immunantwort. Es schüttet Stoffe aus, die gegen die körperfremden Eindringlinge vorgehen. Studien haben gezeigt, dass beim Krankheitsverhalten entzündungsfördernde Botenstoffe wie IL-1, IL-6 und Tumornekrosefaktor Alpha (TNF-alpha) ausgeschüttet werden. Auch bei rheumatischen Erkrankungen spielen diese Botenstoffe eine Rolle. Das erklärt, warum sich vielfach bei einer Therapie mit einem Biologikum zur Verbesserung der rheumatischen Erkrankung auch die Fatigue verringert. Denn Medikamente aus dieser Wirkstoffgruppe hemmen die Wirkung von genau denselben oder ähnlichen Botenstoffen. Aber nicht immer bessert sich bei einer erfolgreichen Behandlung der rheumatischen Erkrankung auch die Fatigue. In solchen Fällen könnte ein Fatigue-Syndrom vorliegen. „Das kennen wir auch beim Schmerz und bezeichnen es dort als Schmerz-Syndrom. So kann die Fatigue schon vorher bestanden oder sich von der Erkrankung losgelöst haben“, erklärt Prof. Krüger. Das Fatigue-Syndrom bleibt auch bei guter Kontrolle der Entzündungsaktivität bestehen und muss separat behandelt werden.

Verstecktes Problem vermutet

Die Zusammenhänge zwischen den entzündlichen Vorgängen bei rheumatischen Erkrankungen und der Fatigue haben norwegische Forscher zu der Frage veranlasst, ob Fatigue nicht auch eine Rolle bei einer Psoriasis ohne Gelenkbeteiligung spielen könnte. Denn auch bei dieser chronischen Hauterkrankung ist bekannt, dass entzündliche Vorgänge beteiligt sind, bei denen die oben beschriebenen Botenstoffe ausgeschüttet werden. Die Wissenschaftler schauten sich unter dieser Fragestellung die bestehenden Studien an. Sie stellten fest, dass über Psoriasis und Fatigue bisher gar nicht geforscht wurde. Einige Hinweise erhielten sie über Veröffentlichungen, in denen unter anderem auch Fragebögen zur Lebensqualität bei Psoriasis-Patienten ausgewertet wurden. Dort geben einige Fragen Hinweise, aber keine Gewissheit über das Ausmaß von Fatigue bei Psoriasis. Die Vermutung der Forscher ist nun, dass es sich bei der Fatigue um ein großes, aber verstecktes Problem bei Psoriasis-Patienten handeln könnte, das in jedem Fall wissenschaftlich untersucht werden sollte. Auch bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis ist das gleichzeitige Auftreten von Fatigue längst nicht so bekannt wie beispielsweise bei Patienten mit einer Rheumatoiden Arthritis. Prof. Krüger empfiehlt Patienten mit Psoriasis-Arthritis auf jeden Fall, eine andauernde Müdigkeit und Schlaffheit beim Rheumatologen anzusprechen. „Hausärzte und Hautärzte haben in der Regel zu dieser Symptomatik wenig Bezug, obwohl es hier natürlich auch immer Ausnahmen gibt.“ Doch auch Rheumatologen können nicht immer helfen. Prof. Krüger hat seine Empfehlung parat: „Das einzige, was zuverlässig hilft und wesentlich erfolgreicher ist als Medikamente, ist möglichst viel körperliche Aktivität.“

Anette Meyer

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