Prof. Dr. Diamant Thaçi

Dermatologe und Allergologe aus Lübeck

Interview mit Prof. Dr. Diamant Thaçi, entnommen aus PSO Magazin 5/2016

PSO Magazin: Seit drei Jahren leiten Sie das Exzellenzzentrum Entzündungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Was ist ein Exzellenzzentrum?

Professor Thaçi: Diese Zentren gehen auf die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen zurück. Das ist ein Förderprogramm, das 2006 ins Leben gerufen wurde.

PSO Magazin: Was machen Sie im Exzellenzzentrum Entzündungsmedizin?

Professor Thaçi: Wir erforschen Entzündungen an Grenzflächen. Das sind Oberflächen wie beispielsweise die Haut, die Gelenke aber auch der Magen und der Darm.

PSO Magazin: Dann kommen nicht nur Menschen mit Hauterkrankungen zu Ihnen?

Professor Thaçi: Die meisten Patienten, die wir betreuen, sind komplexere Fälle. Natürlich steht meist eine Erkrankung im Vordergrund – eine Darmerkrankung, rheumatische Beschwerden, und natürlich auch Hauterkrankungen. Aber die meisten Patienten, die wir hier betreuen, haben nicht nur ein einziges Problem. Denn chronisch-entzündliche Erkrankungen konzentrieren sich meist nicht nur auf ein Organ, sondern gehen mit Begleiterkrankungen einher. Bei der Psoriasis sind das zum Beispiel Erkrankungen an Gelenken, Augen oder Herz und Gefäßen. Die Frage ist, was steht im Vordergrund. Deswegen arbeiten wir hier interdisziplinär. Das heißt, dass hier Fachleute aus den unterschiedlichsten Disziplinen die Patienten gemeinsam sehen und betreuen. Beteiligt sind neben Dermatologen auch Rheumatologen, Radiologen, Augenärzte oder auch Gastroenterologen. Das sind Mediziner, die sich auf den Magen-Darm-Bereich spezialisiert haben.

PSO Magazin: Sie behandeln die Patienten nicht nur, sondern sie forschen auch. Was sind Ihre Schwerpunkte?

Professor Thaçi: Wir wollen hier klinische Forschung und Grundlagenforschung zusammenbringen. Wir haben beispielsweise eine inzwischen sehr große Datenbank, in der wir genetische Informationen der Patienten gesammelt haben und immer weiter sammeln. Wir suchen darin nach Variablen, die beispielsweise das Ansprechen auf eine bestimmte Therapie vorhersagen können, oder einen Hinweis darauf geben, wer ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen wie Arthritis, Bluthochdruck oder Diabetes hat. Wenn wir diese Faktoren besser kennen, können wir gezielter therapieren.

PSO Magazin: Diese Bemühungen werden unter dem Begriff "individualisierte Medizin" zusammengefasst. Experten sehen in dieser individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmte Diagnostik und Therapie die Chance, effektiver zu behandeln und letztlich Kosten zu sparen. Was meinen Sie: Wie lange wird es dauern, bis Sie da konkrete Ergebnisse haben?

Professor Thaçi: Individualisierte Medizin geht schon heute. Wenn Sie beispielsweise aus der Familiengeschichte eines Patienten wissen, dass er eine Veranlagung zur Psoriasis mitbringt, dann verschreiben Sie ihm keine Betablocker, weil bekannt ist, dass dieser Arzneistoff eine Psoriasis auslösen kann. Aber natürlich wollen wir noch viel weiter kommen.

PSO Magazin: Was sind Ihre Fragestellungen?

Professor Thaçi: Da sind so viele Fragen offen: Warum entwickelt beispielsweise jemand eine Nagelpsoriasis und ein anderer einen Gelenkbefall? Der Nächste hat den Befall an den Händen oder an den Füßen. Wir müssen den roten Faden finden. Da hilft die Betrachtung aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen.

PSO Magazin: Wie hilft beispielsweise die Forschung der Fachleute für Magen- und Darmerkrankungen weiter?

Professor Thaçi: Von ihnen kommen wichtige Hinweise über den Einfluss des Mikrobioms als Träger einer Erkrankung. Als Mikrobiom bezeichnet man den Lebensraum von Mikroorganismen. Das Darmmikrobiom hilft nicht nur bei der Zerlegung von Nahrung in verwertbare Komponenten. Es ist ein Schlüssel zum Verständnis für das Auftreten von Autoimmunerkrankungen. Es steuert mit, ob und wann jemand übergewichtig wird und an Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen erkrankt und bestimmt, ob einzelne Medikamente nicht vertragen werden oder jemand eine andere Dosis als üblich benötigt. Gastroenterologen haben gezeigt, dass es einem Kranken deutlich besser geht, wenn er die Darmflora von Gesunden transplantiert bekommt. Vielleicht geht das ja nicht nur mit der Darmflora, sondern auch mit der Hautflora. Bestimmt gibt es da irgendwann Erkenntnisse. Wir haben noch viele Ideen für Forschungsansätze und wir können sicher sagen: Unsere Zukunft ist interdisziplinär.